„Ich bin schuldig!“ Wer so denkt, fühlt sich mies. Manche Menschen erleben ihre Schuldgefühle als eine kaum erträgliche Last, die sie viele Jahre schicksalshaft mit sich herumschleppen müssen. Einige verzweifeln sogar daran. Aber wovon reden wir überhaupt, wenn wir von Schuld reden? Was bedeutet es „schuldig“ zu sein? Die meisten Menschen fühlen sich dabei jedenfalls minderwertig und haben das Gefühl, ein schlechter Mensch zu sein. Das riecht doch irgendwie nach Übertreibung, oder?
Shownotes: Sigmund Freud, der Urvater der Psychotherapie hielt Schuldgefühle schon vor 100 Jahren für „das größte Problem der Kulturentwicklung“. Auch heute wird das Konzept der „Schuld“ in der Psychotherapie eindeutig kritisch betrachtet. Aber warum ist das Schuld-Konzept überhaupt so ein großes Thema für unser Gefühlsleben? Irgendwas muss da doch dran sein, dass so viele Menschen so sehr daran festhalten!
Schuldzuschreibungen werden eingesetzt, um auf einen moralischen Fehler hinzuweisen: „Weil Du diesen Fehler gemacht hast, Du bist schuldig“ heißt, dass der andere einen moralischen Fehler gemacht hat. Und dass er sich deswegen bitte schlecht fühlen soll! So weit, so ok, schließlich brauchen wir einen moralischen Anspruch für unser Handeln. Das Konzept von Schuld geht aber noch ein paar Schritte weiter, denn Menschen, die sich schuldig fühlen, fühlen sich in der Regel auch minderwertig. Was für eine Generalisierung: „Du hast etwas Schlechtes gemacht, also bist du minderwertig!“, meist auch „… also bist Du ein schlechter Mensch!“
In genau diesem miesen Gefühl können wir den Sinn der Idee der „Schuld“ finden: Das Schuldgefühl soll so unangenehm sein, dass man eine Menge in Kauf nimmt, um es zu vermeiden. Und tatsächlich passen sich Menschen, die glauben schuldig zu sein, häufig den Ansprüchen von denen an, die sie beschuldigen. „Ok, bevor ich wieder beschuldigt werde, gebe ich mir eben einen Ruck und springe über meinen Schatten“. Sie schlucken sozusagen „die unangenehme Kröte der Anpassung“, um die noch unangenehmere Kröte der Schuld nicht schlucken zu müssen.
Dabei entpuppt sich das ganze Konzept der „Schuld“ bei näherer Betrachtung als eine echte Mogelpackung. Jedenfalls, wenn man es auf eine psycho-logischundneue Weise betrachtet :o)
Denn dann können wir sehen, dass das Element der „Abwertung“ völlig verrückt ist. Weil wir alle jederzeit einen sehr (sehr!) hohen Selbstwert haben. Allein damit gehört die übliche Idee von Schuld schon mal in die Tonne.
Wenn man dann noch hinterfragt, wer eigentlich für das entstandene Missgeschick verantwortlich ist, tun sich sehr häufig weitere Widersprüche und Missverständnisse auf. Denn bei Beschuldigungen werden häufig Menschen verantwortlich „gemacht“, die tatsächlich nicht verantwortlich sind: „Mir geht es schlecht, Du hättest das verhindern können, also bist Du für mein Leid verantwortlich“ kann stimmen. Muss es aber nicht. Auch die Bezeichnung „schlechter Mensch“ hält einer genauen Prüfung nicht stand, zumindest wenn man ein halbwegs schlüssiges und menschliches Menschenbild zugrunde legt.
Das Beste kommt zum Schluss: Wir brauchen dieses Schuld-Konzept überhaupt nicht! Wir können den ganzen Wahnsinn hinter uns lassen und trotzdem unseren moralischen Anspruch behalten. Warum das Konzept „fair für beide Seiten“ nicht nur viel logischer und menschlicher, sondern auch für unsere Moral viel (!) besser ist, erfährst Du in dieser Folge!
Weitere Informationen und ganz konkrete Anleitungen zu den Themen dieses Podcastes findest Du in meinem Buch „Hör auf, Dich fertig zu machen“. Und natürlich bei Instagram unter „psycho-logischundneu“, auf meiner Webseite „psycho-logischundneu.de“ und in weiteren Folgen dieses Podcastes!